Plötzlich gibt es diesen hartnäckigen Ruf nach einer Kunst, die nützlich ist, den Ruf nach direktem Engagement, nach künstlerischem Aktivismus, nach Einmischung in die politische Realität unserer Gesellschaften und Ökonomien. Und das ist gut.
Natürlich ist das eine Provokation: Nach hunderten Jahren des Kampfes für die Autonomie der Kunst, nach Jahrzehnten des Lernens, dass die wesentliche Qualität von Kunst ihre Ambiguität ist, nach Jahren des Wiederholens, dass Kunst Fragen stellt und nicht Antworten gibt, gibt es plötzlich diesen hartnäckigen Ruf nach einer Kunst, die nützlich ist, nach direktem Engagement, nach künstlerischem Aktivismus, nach Einmischung in die politische Realität unserer Gesellschaften und Ökonomien.
Dieser Ruf ist nicht neu, er hat Vorläufer: die Produktivisten zum Beispiel. Im Widerspruch zu Naum Gabos Maßgabe, dass der Konstruktivismus im post-revolutionären Russland ausschließlich der Abstraktion verpflichtet sein soll, forderten Künstler wie Aleksei Gan, Alexander Rodtschenko und Varvara Stepanova eine praktische, gesellschaftlich nützliche Rolle der Kunst. 1973, rund fünfzig Jahre später, eröffnete Joseph Beuys seine Freie Internationale Universität (FIU) und verkündete, „Lehrer zu sein, ist mein größtes Kunstwerk“.
Mit neuer Intensität wurde das Konzept sozial engagierter Kunst seit den frühen 1990er-Jahren weiterentwickelt. Zu einem Lieblingsthema der Kunstwelt ist künstlerischer Aktivismus vor allem in den letzten Jahren mit ihren zahllosen politischen und ökonomischen Krisen geworden. Denn egal ob auf dem Tahrir-, dem Zuccotti, dem Syntagma-, Taksim- oder Maidan-Platz, vor dem Kreml, in Japan nach Fukushima, inmitten Brasilias ikonischer Architektur oder unter den Regenschirmen in Hong Kong: Künstler sind stets unter den ersten, die sich beteiligen. Aber eine Frage taucht immer wieder auf: Welche Rolle kann Kunst in der Politik spielen?