War es also nicht nur ein Spiegel oder gar eine Erfüllung der neoliberalen Agenda des Immer-Mehr, der extremen Arbeit und der ständigen Verfügbarkeit? Hat es nicht nur den Wettlauf verlängert, mit dem wir in unserem kapitalistischen Umfeld zu kämpfen haben? Wäre es nicht besser, sich zu entschleunigen, sich Zeit zu nehmen? Truth is Concrete zielte in die entgegengesetzte Richtung. Eine Pause zu machen, würde nicht helfen. Diese Maschine stellte keine Aufgabe, die erfüllt werden konnte. Sie ließ sich weder leicht vermarkten noch leicht konsumieren. Es gab keine richtige Zeit; sie war nicht auf Höhepunkte ausgerichtet. Es gab nicht die besten paar Stunden, um alles richtig zu begreifen. Es gab also nicht den einen Marathon, sondern viele einzelne: manche kürzer, manche länger; manche auf der Suche nach Tiefe in bekannten Themen, andere auf der Suche nach Dingen, von denen man noch keine Ahnung hatte. Dass man etwas auslassen musste, gehörte dazu, dass man eine Auswahl treffen musste.
Auf diese Weise war es auch eine Metapher für politische Bewegungen: Wenn man eine Stunde oder so bei Occupy Wall Street verbringt, spricht man mit einigen Leuten, sieht einige Zelte, ahnt vielleicht etwas vom herrschenden Geist. Man kommt zurück, hört ein paar Komiteesitzungen zu und fängt beim nächsten Mal vielleicht selbst an zu reden. Oder man baut selbst ein Zelt auf, zieht ein. Alles ist möglich, aber die Intensität und die tiefe der Einsichten unterscheiden sich. Truth is concrete ging es nicht nur um intellektuelle Intensität, sondern auch die körperliche. Um die Auswirkungen dieser Begegnung auf unseren Körper. Im Hier und Jetzt.
Der maschinische und beharrliche Marathon, der im Zentrum stattfand, war von einem camp-ähnlichen Lebens- und Arbeitsumfeld umgeben, das von raumlaborberlin entwickelt worden war: ein sozialer Raum mit eigenen Bedürfnissen und Zeiten. Für eine einwöchige Gemeinschaft, die Tag und Nacht vermischte und ihren eigenen Jetlag gegenüber der Außenwelt entwickelte.
Die vertikale Geste der Marathon-Maschine war in eine horizontale Struktur der Offenheit eingebettet: mit organisierten eintägigen Workshops und mehreren Dauerprojekten und einer Ausstellung, vor allem aber mit dem parallel stattfindenden „Open Marathon“, der auf Selbstorganisation basierte: Seine Inhalte wurden vollständig von den Teilnehmenden produziert, die spontan in die Slots eintraten.
War das also alles zu viel? Mag sein. Aber vielleicht hatten wir auch keine Zeit zu verlieren. Die Welt veränderte sich in rasantem Tempo, und der Marathon war vor allem ein Arbeitstreffen – eine extreme Anstrengung in einer Zeit, die immer noch extreme Anstrengungen zu brauchen schien.
truthisconcrete.org (@ WebArchive)
Mit Hans Abbing, Milan Adamčiak, Udi Aloni, Valery Alzaga, Ulf Aminde, Burak Arikan, ArtLeaks, Awesome Tapes From Africa, Babi Badalov, Zdenka Badovinac, Zbynék Baladrán, Anette Baldauf, Katherine Ball, Stéphane Bérard, Ellen Blumenstein / Haben und Brauchen, Katya Bondarenko / Teatr.doc, Leah Borromeo, Jakob Braeuer, Christoph Braun, Reinhard Braun, Ondrej Buddeus, Loulou Chérinet, Chimurenga, Carlos Celdran, Center for Political Beauty, common spring collective, Luigi Coppola, Critical Practice, Minerva Cuevas, Sibylle Dahrendorf, Eyal Danon, Diedrich Diederichsen, Jens Dietrich / IIMP – International Institute of Political Murder, Annie Dorsen, eclectic electric collective, Róza El-Hassan, Rana El Nemr, Oriana Eliçabe / Enmedio Collective, Shady El Noshokaty, Köken Ergun, Charles Esche, Tim Etchells, Everday Rebellion, Marcelo Expósito, Eleonora Fabião, Nick Farr, Femen, Joanna Figiel, Noah Fischer, Dirk Fleischmann, Davis Freeman, Isabelle Fremeaux / The Laboratory of Insurrectionary Imagination, Fun-Da-Mental, Alexandra Galkina, Loreto Garín Guzmán / Etcétera…, Vjekoslav Gašparović / pulska grupa, Federico Geller, Mariam Ghani, Adrienne Goehler, Jennifer González, Julieta Gonzalez, Janna Graham / Ultra-red, Hafiz, The Haircut Before The Party, Gary Hall, Christian Hanussek, Paul Harfleet, Stefano Harney, Vít Havranek, Adrian Heathfield, Carl Hegemann, Herr Bogensberger, Stefan Hertmans, Pia Hierzegger, Herwig G. Hoeller, Edgar Honetschläger, Sam Hopkins, Hor 29 Novembar, Khaled Hourani, Hector Huerga, Iconoclasistas, The Israeli Center for Digital Art in Holon, Irwin, Janez Janša, Khaled Jarrar, Anna Jermolaewa, Jeudi Noir, John Jordan, Kaddu Yaraax, Don Karl aka Stone, Kavecs, Jerry Killick, Jisun Kim, Guido Kleene, Dmytri Kleiner / Telekommunisten, Nikolai Klimeniouk, Bettina Knaup, The Kominas, Michał Kozłowski, Omer Krieger, Leo Kühberger, André Lepecki, André Éric Letourneau, Lexxus Légal, Lawrence Liang, Miguel López, Sri Louise, Matteo Lucchetti, Lucifer / Church of Kopimism, Make, Mapa Teatro, Oliver Marchart, Leónidas Martín / Enmedio Collective, Masala Brass Kollektiv, Joana Mazza / Observatório de Favelas, Tomislav Medak, Kerstin Meyer, Antanas Mockus, Moddi, Maryam Mohammadi, Mao Mollona, monochrom, Carlos Motta, Chantal Mouffe, Rabih Mroué, Michal Murin, Marina Naprushkina, Alexander Nikolic / Boem*, Mary Ocher, Jens Ohlig, Sofia Olascoaga, Nikolay Oleynikov and Dmitry Vilensky / Chto Delat, Giulia Palladini, Lia Perjovschi, Sibylle Peters, Nenad Duda Petrović, Claus Philipp, The Pinky Show, The Piracy Project, Michelangelo Pistoletto, Lisl Ponger, Srđa Popović / CANVAS, Precarious Workers Brigade, Goran Sergej Pristaš, Public Movement, Radio Helsinki, Tzortzis Rallis / Occupy London Times, Judith Raum, raumlaborberlin, Gerald Raunig, Oliver Ressler, Reverend Billy & The Church of Stop Shopping, Richard Reynolds, Ultra-red, Scott Rigby / Basekamp, Irit Rogoff, Lina Saneh, Imanuel Schipper, Florian Schneider, Thomas M. Schnölzer / VolXküche feat. die Pastinaken, Judith Schwentner, Marco Scotini / Disobedience Archive, Ruti Sela, Salma Shamel / Mosireen, Urok Shirhan Alsaedy, Gregory Sholette, Stevphen Shukaitis / Minor Compositions, Amund Sjølie Sveen, Anders Smebye, Joost Smiers, Laila Soliman, Petr Šourek / CorruptTour, Janek Sowa / Free Slow University Warsaw, Jonas Staal, Ana Džokić & Marc Neelen / STEALTH.unlimited, Nora Sternfeld, Kuba Szreder, Xu Tan, Theater im Bahnhof, Bert Theis, Slaven Tolj, Aseem Trivedi, Don Tshibanda, Klumzy Tung, the vacuum cleaner, Wolfgang Vacarescu, Nicoline van Harskamp, Marina Vishmidt, Voina, W.A.G.E., Klaus Walter, Joanna Warsza, Dave Watts, Hans Winkler, WochenKlausur, Stephen Wright, Salam Yousry, Stephen Zepke, Michael Zinganel, Federico Zukerfeld / Etcétera et al.