„Was gibt mir das Recht, hier zu stehen und für all jene zu sprechen, die in diesen Krieg gezogen sind? Und wo sind die toten britischen Soldaten in diesem verdammten Stück?“ Gegen Ende von Campo Minado / Minefield (2016) stellt der englische Falkland-Veteran David Jackson die ethisch, aber auch ästhetisch entscheidende Repräsentationsfrage und zielt damit auf ein Kerninteresse der argentinischen Regisseurin, Autorin und Performerin Lola Arias, in deren dokumentarischen Theaterarbeiten oft Laien auftreten, die – zumindest auf den ersten Blick – „sich selbst“ zu spielen scheinen.
Alle am Theater Beteiligten – ob Schauspieler*innen, Performer*innen, Zuschauer*innen oder Kritiker*innen – werden immer auch als Repräsentant*innen einer größeren Gemeinschaft wahrgenommen, unterschieden durch Hautfarbe, Gender, Körperlichkeit, soziale Schicht, Berufsstand …
So spiegeln sich die Fragen, die gegenwärtig alle Demokratien verfolgen – Wer wird auf welche Weise, von wem und mit welchem Recht repräsentiert? – im Theater wider: Kann eine bürgerliche Schauspielerin eine Geflüchtete darstellen? Kann der Westen den globalen Süden stellvertreten? Kann ein Mann eine Frau verkörpern? Oder eben: Kann ein überlebender Soldat für einen toten Soldaten sprechen?
Dieses Problem-Geflecht, das durch gegenwärtige Diskussionen rund um Blackfacing (das Schwarzschminken weißer Schauspieler*innen), das Verwenden als diffamierend empfundener Bezeichnungen etc. unübersehbar wurde, stellt weit mehr in Frage als nur das Recht und die Befähigung weißer Schauspieler*innen, Charaktere of colour auf die Bühne zu bringen.
Es sind politisch und künstlerisch komplexe Herausforderungen, die – wie der gesamte postkoloniale Themenbereich – im deutschen Theater spät angekommen sind und die aktuellen Debatten über politische Korrektheit und vermeintliche Cancel Culture überdauern und das Theater für eine lange Zeit beschäftigen werden. In ihnen hallen grundlegende Auseinandersetzungen über demokratische Repräsentation wider.