Es ist wichtig, dass wir als Körper zusammen in der Öffentlichkeit auftreten, dass wir uns in der Öffentlichkeit versammeln. Das ist das, was hier passiert, eine Politik des öffentlichen Körpers, der Bedürfnisse des Körpers, seiner Bewegungen und seiner Stimme. Wir sitzen und stehen, wir bewegen uns und wir sprechen, so wie es unseren Möglichkeiten entspricht. Wir sind hier. Und wir bleiben hier und füllen die Formel ›We, the people‹ mit Leben. Judith Butler, Occupy Wall Street, 2011
Bald war es nicht mehr: Bühne gegen Zuschauerraum, sondern ein einziger großer Versammlungssaal, ein einziges gro-ßes Schlachtfeld, eine einzige große Demonstration. Erwin Piscator, Das politische Theater (1929)
Die letzten zehn, fünfzehn Jahre sind geprägt von zahllosen sozialen und politischen Bewegungen auf der ganzen Welt. Ob in Tunis, Kairo, Madrid oder Lissabon, in Athen, New York, London oder Istanbul, im Tokio nach Fukushima, inmitten von Niemeyers ikonischer Parlamentsarchitektur in Brasilia, unter den Regenschirmen von Hongkong oder auf den Straßen von Minneapolis: was einen Großteil dieser Bewegungen auszeichnet und von den vielen ihrer Vorgängerinnen unterscheidet, ist ihre Suche nach alternativen Formen des Zusammenkommens, des Argumentierens und Entscheidens, des Verhandelns von Gemeinschaft und Gesellschaft. Das Potenzial dieser Versammlungen liegt nicht nur in ihren Forderungen. Sie verändern die Realität schon allein dadurch, dass sie radikale Demokratiemodelle nicht nur entwerfen, sondern leben.
Parallel dazu ist auch in den Künsten ein neues Interesse an Konzepten der Versammlung und Öffentlichkeit erwacht, in denen Gesellschaft nicht nur gespiegelt, sondern ständig erprobt, performt, getestet, neu gedacht oder gar neu erfunden wird. Gerichtsverhandlungen zu Kunstfreiheit, Religion oder Zensur; Gipfeltreffen, auf denen Klimaziele oder Kulturpolitik verhandelt werden; Parlamente, in denen sonst Stimmlose ihre Stimme erheben: Insbesondere das Theater ist auf dem schmalen Grat zwischen Kunst und Realität zu einer demokratischen Arena radikaler Vorstellungskraft geworden.
Seit 2021 hat die nomadische Vortragsreihe und Internetplattform „The Art of Assembly“ fast 70 Protagonisten aus verschiedenen Bereichen der Kunst, des Aktivismus und der Theorie auf Bühnen in Städten wie Wien, Berlin, New York, Oslo, Helsinki oder Bukarest zusammengebracht, um – in einer Zeit, in der keine Gewissheiten zu geben scheint – über das Potenzial und die Grenzen menschlicher Versammlungen zu spekulieren.
Alle Termine, Vorträge, Videos, Podcasts etc. Auf:
art-of-assembly.net