Aneignungen

Performative Konferenz
16 NOV 2014
Ethnologisches Museum Berlin

Mit Ulf Aminde & Shi-Wei Lu, Yael Bartana, deufert&plischke, Maria Gaida, Richard Haas, Ant Hampton & Britt Hatzius, Dorothea von Hantelmann, Kapwani Kiwanga, Siegmar Nahser & Alexandra Pirici

Kuratiert von Florian Malzacher


We need a history that does not save in any sense of the word; we need a history that performs. Jane Blocker

Aneignung, auch kulturelle Aneignung ist immer ein gewaltsamer Akt. Die (direkte oder strukturelle) Gewalt, mit der sich ethnologische Sammlungen viele Objekte angeeignet haben, wiederholt sich in den immer neuen Aneignungen dieser Gegenstände durch Interpretation und Kontextualisierung. Aneignung bedeutet aber auch eine Annäherung, die denjenigen, der sich etwas aneignet, nicht unverändert lässt.

Der Begriff „Aneignung“ funktioniert in diesem Zusammenhang wie ein Vexierbild: Je nach Fokus betont er entweder den negativen Aspekt des Besitzens und Wegnehmens oder den positiven Aspekt des Lernens und Verstehenwollens.

Die performative Konferenz Aneignungen wie auch ihre Überbleibsel in der Dauerausstellung reflektierten die Möglichkeiten der Aneignung von Wissen und Kulturen, die dem Westen fremd sind, indem sie die Konzepte des Reenactments und der performativen Rekonstruktion sowie den Widerstand der Objekte untersuchten.

Während Reenactment landläufig das möglichst naturgetreue Nachstellen historischer Ereignisse bezeichnet, hat sich in den letzten Jahren in den performativen Künsten ein differenzierter Diskurs um den Begriff gebildet. Im Tanz und in der Performance bezeichnet er vor allem die kritische Auseinandersetzung mit der Möglichkeit und Unmöglichkeit von Rekonstruktion oder Neuinterpretation zentraler choreografischer Werke der Moderne. Im Zentrum steht dabei die Anerkennung der Differenz, des Nicht-nachvollziehen-Könnens, des Nicht-Wissens. Aneignung wird in der Doppeldeutigkeit gesehen, die dem Wort innewohnt: Besitznahme und Annäherung in einem.

So bewegte sich die performative Konferenz Aneignungen zwischen Appropriation, Rekonstruktion, Umformulierung, temporärer Ergänzung und kritischer Spekulation. Schließlich liegt die Performativität vieler Objekte der Sammlung in ihrer potenziellen Verwendung – sei es in einem Ritual, in der Kunst oder im Alltagsgebrauch. In der Sprache der Performancetheorie könnte man sie als „Performance-Reste“ bezeichnen. Andere Objekte geben Einblicke in die Arten von angewandtem Wissen, die verloren gegangen sind: Darstellungen und Inschriften dienen als direkte oder indirekte Dokumentationen oder potenzielle Notationen. Wie kann man sich solchen verlorenen Handlungen künstlerisch nähern, sie rekonstruieren oder gar nachstellen?

Solche Ansätze sind keineswegs sanft, sie sind nicht unbedingt einer vermeintlichen historischen oder kulturellen Wahrheit verpflichtet. Sie eignen sich das Vergangene und Ferne an, um es in der Gegenwart zu Wort kommen zu lassen und zu hinterfragen. Die Konflikthaftigkeit und Widersprüchlichkeit der Aneignung wird weder verharmlost noch gemieden.

Aneignungen fand statt in einem agonistischen Feld verschiedener künstlerischer Positionen. Die Teilnehmer*innen bewegten sich von Lecture-Performances von Dorothea von Hantelmann, Ulf Aminde & Shi-Wei Lu und Kapwani Kiwanga über Alexandra Piricis immaterielle Ergänzung der Sammlung bis hin zur theatralen Installation von Ant Hampton und Britt Hatzius, wurden im Sammlungsdepot mit berühmten Fälschungen konfrontiert, begleiteten Yael Bartana auf einer Reise zum Amazonas und wurden mit der Choreografie von deufert&plischke selbst zu Performern.

Production management Appropriations: Syelle Hase, Pamela Schlewinski
Managing Director Humboldt: Agnes Wegner
Thanks to Elena Agudio, Ulrike Folie, Romy Köhler, Bonaventure Soh Bejeng Ndikung

A production by Humboldt Lab Dahlem

Ausführliche Dokumenation

16.11.2014.Berlin Humboldt Lab Dahlem "Appropriations - A performative conference"