Während Reenactment landläufig das möglichst naturgetreue Nachstellen historischer Ereignisse bezeichnet, hat sich in den letzten Jahren in den performativen Künsten ein differenzierter Diskurs um den Begriff gebildet. Im Tanz und in der Performance bezeichnet er vor allem die kritische Auseinandersetzung mit der Möglichkeit und Unmöglichkeit von Rekonstruktion oder Neuinterpretation zentraler choreografischer Werke der Moderne. Im Zentrum steht dabei die Anerkennung der Differenz, des Nicht-nachvollziehen-Könnens, des Nicht-Wissens. Aneignung wird in der Doppeldeutigkeit gesehen, die dem Wort innewohnt: Besitznahme und Annäherung in einem.
So bewegte sich die performative Konferenz Aneignungen zwischen Appropriation, Rekonstruktion, Umformulierung, temporärer Ergänzung und kritischer Spekulation. Schließlich liegt die Performativität vieler Objekte der Sammlung in ihrer potenziellen Verwendung – sei es in einem Ritual, in der Kunst oder im Alltagsgebrauch. In der Sprache der Performancetheorie könnte man sie als „Performance-Reste“ bezeichnen. Andere Objekte geben Einblicke in die Arten von angewandtem Wissen, die verloren gegangen sind: Darstellungen und Inschriften dienen als direkte oder indirekte Dokumentationen oder potenzielle Notationen. Wie kann man sich solchen verlorenen Handlungen künstlerisch nähern, sie rekonstruieren oder gar nachstellen?
Solche Ansätze sind keineswegs sanft, sie sind nicht unbedingt einer vermeintlichen historischen oder kulturellen Wahrheit verpflichtet. Sie eignen sich das Vergangene und Ferne an, um es in der Gegenwart zu Wort kommen zu lassen und zu hinterfragen. Die Konflikthaftigkeit und Widersprüchlichkeit der Aneignung wird weder verharmlost noch gemieden.
Aneignungen fand statt in einem agonistischen Feld verschiedener künstlerischer Positionen. Die Teilnehmer*innen bewegten sich von Lecture-Performances von Dorothea von Hantelmann, Ulf Aminde & Shi-Wei Lu und Kapwani Kiwanga über Alexandra Piricis immaterielle Ergänzung der Sammlung bis hin zur theatralen Installation von Ant Hampton und Britt Hatzius, wurden im Sammlungsdepot mit berühmten Fälschungen konfrontiert, begleiteten Yael Bartana auf einer Reise zum Amazonas und wurden mit der Choreografie von deufert&plischke selbst zu Performern.
Production management Appropriations: Syelle Hase, Pamela Schlewinski
Managing Director Humboldt: Agnes Wegner
Thanks to Elena Agudio, Ulrike Folie, Romy Köhler, Bonaventure Soh Bejeng Ndikung
A production by Humboldt Lab Dahlem
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