Petitionen, Demonstrationen, Blockaden, Polizeigroßeinsatz, Hubschrauber gar … Am Ende wurden die Aufführungen von Brett Baileys Performance-Installation Exhibit B (2012) mit ihren expliziten Bildanleihen bei Völkerschauen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts im September 2014 vom Londoner Barbican Centre abgesagt.1 Während die Performance zuvor ohne größeres Aufheben in Österreich, Deutschland, aber auch in Großbritannien gezeigt worden war, gab es nun auch an nachfolgenden Tourstationen heftige Auseinandersetzungen. Einerseits ging es um den repräsentationskritischen Appell, Gewalt nicht durch ihre Abbildung zu wiederholen und um die Frage, ob Exhibit B nicht lediglich eine upgedatete Form exotisierenden Voyeurismus’ bediene. Andererseits – und wohl vor allem – bot die Arbeit einen Anlass, grundsätzlicheren Unmut öffentlich zu machen. Baileys Show – wenig zimperlich in ihrer Bildsprache ausgestellter schwarzer Körper auf Podesten oder hinter Maschendraht – war zu einem Katalysator geworden für eine größere gesellschaftliche Debatte über rassistische Klischees und nicht aufgearbeitetes koloniales Erbe. Die Forderung der DemonstrantInnen: „No more human zoo!“ zielte weiter als nur auf die- se spezifische Inszenierung einer historischen Zurschaustellung durch einen weißen südafrikanischen Regisseur.
Während sich der Vorwurf gegen Bailey noch auf die Reproduktion eindeutig diskriminierender Bilder in kritischer Absicht bezog, drehten die Vorwürfe gegen die US-amerikanische Künstlerin Dana Schutz die Schraube der Repräsentationskritik noch weiter. Denn ihr bei der Whitney Biennale 2017 ausgestelltes Gemälde Open Casket lässt keinen Zweifel an ihrer Haltung – es ist eine klare Anklage gegen die Täter. In einem offenen Sarg zeigt es den vierzehnjährigen Emmett Till, einen
1955 von Weißen ermordeten Afroamerikaner. Die dem Bild zugrunde liegende Fotografie war ein wichtiges Symbol im Bürgerrechtskampf in den Südstaaten. Ein Foto, von dem Tills Mutter wollte, dass die Welt es sieht: Das haben diese Menschen meinem Sohn angetan!2
Gegen das Aufgreifen dieses Motivs durch Dana Schutz regte sich schnell Protest schwarzer KünstlerInnen: Eine weiße Künstlerin habe nicht das Recht, sich dieses Bild anzueignen und davon symbolisch und vielleicht auch finanziell zu profitieren. Die in Berlin lebende Künstlerin Hannah Black forderte in einem offenen Brief nicht nur die Entfernung, sondern gar die Zerstörung der Arbeit.3
In Deutschland hat vor allem die Überstreichung des von Student- Innen als sexistisch empfundenen Gedichts «Avenidas» (1954) von Eugen Gomringer an der Fassade der Berliner Alice-Salomon-Hochschule 2017 für große Aufregung in den Feuilletons gesorgt.4 Aber auch weniger schlagzeilenträchtige Diskussionsabbrüche, schnelle Eskalationen in Facebook-Kommentarspalten, hier und da abgesagte Vorstellungen und Vorlesungen zeigen: Das Diskursklima ist auch in Kunst und Theater rauer geworden und bringt einige Verunsicherung mit sich.
Dabei ist die Vehemenz, mit der im Umfeld von Black Lives Matter, #MeToo und anderen analogen wie virtuellen Bewegungen alltägliche Diskriminierung, Belästigung, physische, psychische und symbolische Gewalt diskutiert wird, nicht wirklich überraschend: Was sich über Jahr- zehnte, Jahrhunderte aufgestaut hat, entlädt sich nicht immer präzise oder wohldosiert. Das Vertrösten darauf, dass sich alle Nebenwidersprüche (wie Rassismus, mangelnde Gleichberechtigung von Frauen oder Umweltverschmutzung) schon von allein auflösen würden, wäre erst einmal der Hauptwiderspruch (zwischen Arbeit und Kapital) beseitigt, war allzu lang Teil linker Argumentationsfolklore.