Das Zentrum ist in dieser Hinsicht vergleichbar mit Konzeptkünstler/-innen wie dem Spanier Santiago Sierra, der Menschen als Material für seine Arbeit sieht, ihnen ein Mindestgehalt für offenkundig bedeutungslose oder erniedrigende Aktionen zahlt, beispielsweise wenn er sechs junge Kubaner anheuert, sich eine Linie auf ihren Rücken tätowieren zu lassen (250 cm Line Tattooed on 6 Paid People, 1999). Indem Sierra Ungerechtigkeiten, finanzielle Abhängigkeiten, Machtmissbrauch (meist westlicher) Gesellschaften im Rahmen eines Kunstwerks reproduziert, wiederholt er die verachteten Mechanismen, um sie zu kritisieren. Und macht uns zum Teil des Dilemmas. Der niederländische Künstler Renzo Martens verwendet in seinem Film Enjoy Poverty (2008) eine teils ähnliche Vorgehensweise, wenn er kongolesische Fotografen davon überzeugt, mitzuverdienen an den schlechten Nachrichten, die ihr Land westlichen Medien liefert. Statt Fotos von Hochzeiten oder anderen Feiern zu machen, fotografieren sie nun den Krieg oder, konkreter, „raped women, corpses, and, let’s add, malnourished children.”2 Die Argumentation ist kristallklar und rational und zugleich zutiefst verstörend, weil sie direkt auf unsere eigene Hypokrisie verweist.
Das ZPS dreht den Spieß zwar um, indem es sich klar gegen die Täter/-innen wendet, aber die Strategie ist vergleichbar, wenn es wahlweise mit unserer wohlfeilen Missbilligung oder mit unserer klammheimlichen Freude spielt, wenn es beispielsweise 25.000 Euro Belohnung für jede Information aussetzen, die zu einer Verurteilung eines der Besitzer des Rüstungsunternehmens Krauss-Maffei Wegmann führen würde. Da der Waffenhandel selbst – das tatsächliche ethische Verbrechen – nicht strafbar ist, wurde nach jedwedem anderen justiziablen Vergehen gesucht. Die eigentliche Anklage aber waren die Plakate und die Webseite mit den Namen und Gesichtern der Waffenfirma-Eigentümer/-innen in Western- Steckbrief-Manier.
Legitime Anliegen – aber legitime Mittel? Eben diese künstlerisch produktive Ambivalenz steigert das ZPS, wenn es die Gedenkkreuze für Berliner Mauertote klaut, um sie vermeintlich oder tatsächlich an die EU-Außengrenze zu bringen – zu den Mauertoten der Gegenwart. Seinen vorläufigen Höhepunkt erreichte das Kriterien-Dilemma, als die Künstleraktivist/-innen die Leiche einer Geflüchteten vor einem Massengrab bewahrten und in Berlin beisetzten – mit all der theatralen Unklarheit des Als-ob.