Die Grenzen der Meinungsfreiheit und der künstlerischen Freiheit stehen derzeit auf dem Prüfstand. Absagen, Boykotte, Zensur, Verhaltenskodizes und Proteste haben massive Auswirkungen auf den Kulturbereich, aber darüber zu sprechen ist schwierig. Mit dieser Reihe laden wir Experten verschiedener Disziplinen zu einer intensiven und offenen Diskussion über ganz konkrete deutsche Fallbeispiele ein: Was ist passiert? Warum ist es passiert? Und: Was können wir daraus lernen?
Nach der kurzfristigen Absage der Veranstaltungsreihe „The Condition of No“ aufgrund einer Intervention der Stadt München gegen die Rednerliste, hat Villa Stuck gemeinsam mit den Kurator:innen und Redner:innen entschieden, die Reihe nun doch – mit unten stehenden neuen Terminen – durchzuführen.
Prolog: Wo sind die Grenzen?
03 MAI 2025, 19.00 CET
Mit Aziz Al-Azmeh & Susan Neiman
Moderiert von Florian Malzacher
Der Eröffnungsabend des Programms „The Condition of No“ – gleichzeitig die 30. Ausgabe von „The Art of Assembly“ – stellt die Frage der Meinungsfreiheit grundlegend: Was müssen wir aushalten, welche Grenzen müssen gesetzt werden, und wie können wir die verschiedenen kulturellen und philosophischen Traditionen der Meinungsfreiheit im Auge behalten? Mit Blick auf die Geschichte der Aufklärung bezweifelt die Philosophin Susan Neiman, dass es bei den brisanten aktuellen Debatten etwa in Deutschland wirklich um Meinungsfreiheit geht. Der Historiker Aziz Al-Azmeh präzisiert heute in Deutschland präsente arabische und islamische Topoi heraus und stellt Überlegungen zum Universalismus einem verstärkten Diskurs von Kulturalismus und kultureller Differenz gegenüber.
Case I: Universitäten & Akademien
09 MAI 2025, 19.00 CET
Mit Meron Mendel & Geraldine Rauch
Neben dem Feld der Kultur wird die Debatte um Meinungsfreiheit am härtesten an den Universitäten und Akademien geführt: Orte, an denen der freie Meinungsaustausch eine grundlegende Voraussetzung für Forschung und Lehre sein sollte. Ausgangspunkt für das Gespräch sind die antisemitischen Vorfälle und die pro-palästinensischen Proteste an deutschen Universitäten und Akademien im Kontext des Krieges im Gazastreifen. Geraldine Rauch, Präsidentin der Technischen Universität Berlin, wurde hart für ihren vermeintlichen zu verständnisvollen Umgang mit den studentischen Protesten kritisiert – u.a. auch von Meron Mendel, dem Direktor die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt.
Fall II: Deutsche Institutionen
Termin tbc.
Mit Margarita Tsomou & Eyal Weizman
Moderiert von Michael Buhrs
Während Initiativen wie Strike Germany und zahlreiche internationale Künstler:innen den meisten deutschen Kulturinstitutionen Komplizenschaft im Verschweigen pro-palästinenischer Positionen oder zumindest mangelnde Ausgewogenheit vorwerfen, sehen diese sich oft als Verteidiger:innen der Meinungsfreiheit, die allen Widrigkeiten zum Trotz, Gesprächsräume offen halten. Margarita Tsomous veranstaltet als Kuratorin Diskursprogramme am Berliner Theater Hebbel am Ufer – HAU. Eyal Weizman, Direktor und Gründer der Rechercheagentur Forensic Architecture, kritisiert Vorurteile und Selbstzensur im deutschen Kulturbetrieb.
Fall III: Verhaltensklauseln
Termin tbc.
Mit Candice Breitz & Christoph Möllers
Moderiert von Bernd M. Scherer
Zahlreiche Verhaltensklauseln wurden in den letzten Jahren sowohl auf Bundes- als auch auf Länder- und Kommunalebene verhandelt, beschlossen und heftig kritisiert. Besonders im Bereich der Kulturförderung haben Debatten um das Für- und Wider von Codes of Conduct das kulturelle Klima erschüttert. Kulturinstitutionen sind verunsichert, wie sie ihre eigene Freiheit verteidigen sollen – zwischen vermeintlicher und realer Zensur, Selbstzensur und dem Wunsch, das Richtige zu tun. Es diskutieren die in Südafrika geborene und in Berlin ansässige Künstlerin Candice Breitz deren für 2024 geplante Ausstellung am Saarlandmuseum wegen vermeintlich kontroverser Aussagen zum Gaza-Krieg abgesagt wurde und der Verfassungsrechtler Christoph Möllers, Professor für öffentliches Recht und Rechtsphilosophie an der Humboldt- Universität zu Berlin, der u.a. die Bundesregierung zu grundrechtlichen Grenzen und Schutzgeboten staatlicher Kulturförderung berät.
Case IV: documenta fifteen
Termin tbc.
Mit Elke Buhr u.a.
Die Diskussionen um die vom indonesischen Kollektiv Ruangrupa kuratierte Documenta fifteen hatten sich gerade etwas beruhigt, als ein Antisemitismus-Eklat kurz nach der Eröffnung die Öffentlichkeit endgültig spaltete. Während die eine Seite nun die gesamte Ausstellung als antisemitisch beschrieb, sah die andere vor allem eine Treibjagt, bei der Künstler:innen aus dem globalen Süden unter Generalverdacht gestellt wurden. Bis heute sind die Fronten verhärtet. Uns interessiert: Welche Rolle hat die Presse gespielt? Und was können wir daraus lernen?
Epilog: Useful Art in the Condition of No
Termin tbc.
Mit Tania Bruguera
Moderiert von Florian Malzacher & Roland Wenninger
Seit vielen Jahren setzt sich die kubanische, derzeit im US-amerikanischen Exil lebende Künstlerin und Aktivistin Tania Bruguera in ihren Performances und Ausstellungen für Redefreiheit und gegen Zensur ein. Am Hamburger Bahnhof – Nationalgalerie der Gegenwart in Berlin sorgte ihre Performance Where Your Ideas Become Civic Actions (100 Hours Reading “The Origins of Totalitarianism“) Anfang 2024 für Schlagzeilen. Die 100-stündige Lesung von Hannah Arendts Buch wurde von Protesten unterbrochen und am nächsten Morgen geschlossen. Vor dem Hintergrund ihrer Erfahrungen in Berlin und auf der documenta fifteen in Kassel hat Tania Bruguera für die Villa Stuck in München das dreiteilige Programm „The Condition of No“ zum Thema Zensur konzipiert. Der Autor und Dramaturg Florian Malzacher und der Kurator Roland Wenninger sprechen mit Tania Bruguera über ihre Erfahrungen in sehr unterschiedlichen Kontexten.
Eine Produktion von VS – Villa Stuck
in ZUSAMMENARBEIT MIT INSTAR und The Art of Assembly